Seitdem das Statistische Amt des ungarischen Staates (KSH) im Jahr 2015 die Erhebung und Veröffentlichung von Daten bezüglich des Existenzminimums eingestellt hat, haben es sich die Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen mit Policy Agenda und dem Ungarischen Gewerkschaftsbund MASZSZ zur Aufgabe gemacht diese Lücke zu füllen. Verantwortungsvolle Tarifverhandlungen können nur auf Basis transparenter und nachvollziehbarer Arbeitsmarktstatistiken erfolgen. Aus diesem Grund präsentierten die Partnerorganisationen am 31. Mai 2018 die aktuellsten Daten auf einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz.
Bei dieser Veröffentlichung, welche inzwischen bereits zum dritten Mal stattfand, wurde erstmalig neben dem Existenzminimum auch das sogenannte gesellschaftliche Minimum berechnet. Dieses enthält neben den täglichen Ausgaben eines Haushaltes auch unerwartete Ausgaben, wie beispielsweise das Reparieren elektronischer Geräte.
Da das Statistische Amt des ungarischen Staates (KSH) die zur Berechnung dieser Kennzahlen notwendigen Daten sehr spät zur Verfügung stellte, folgen in den nächsten Tagen detaillierte Analysen. Ein leicht positiver Trend sei jedoch bereits von den ersten Berechnungen herzuleiten. So lag das Existenzminimum im Jahr 2017 für eine Einzelperson bei 90.450 HUF, das einer zweiköpfigen Familie bei 262.305 HUF pro Monat. Während im Jahr 2016 noch 36% der ungarischen Bevölkerung unter dem Existenzminimum lebten, waren es 2017 noch 30%. Dabei ist jedoch ein sehr starkes Stadt-Land-Gefälle zu bemerken. Unter dem Existenzminimum lebten in Budapest rund 21% der Bevölkerung, in kleineren Städten 33% und in Dörfern sogar 40%. Ambrus Kiss (Policy Agenda) wies dabei jedoch auch darauf hin, dass die restliche Bevölkerung deswegen keinesfalls wohlhabend ist. Dies zeigen auch die Daten für das sogenannte gesellschaftliche Minimum. Demnach können lediglich 47% der ungarischen Bevölkerung auch außerordentliche Ausgaben decken. Wie auch schon beim Existenzminimum zeigt sich auch hier ein großer Unterschied zwischen Stadt und Land. Während in Budapest 33% der Bevölkerung unterhalb des gesellschaftlichen Minimums leben, sind es in anderen größeren Städten 44%, in Kleinstädten 49% und auf dem Land 69%.
László Kordás, Vorsitzender des Ungarischen Gewerkschaftsbundes (MASZSZ) sieht die Arbeit der Gewerkschaften auf Grund der positiven Entwicklungen in Sachen Existenzminimum bestätigt. Man sei dem Ziel, dass der Nettomindestlohn sich dem Existenzminimum angleicht ein gutes Stück näher gekommen. Insbesondere in den kommenden Wochen und Monaten, wenn das Budget für den nächsten Haushalt im Parlament verhandelt wird, müsse man daher weitere Fortschritte anstreben. Um auch das gesellschaftliche Minimum für die breite Bevölkerung ermöglichen zu können, sei beispielsweise eine Einkommenssteuersenkung auf Basis des Mindestlohnes unter 10% notwendig. Da die ungarische Einkommenssteuer jedoch bereits vergleichsweise niedrig ist, müsse man auch an den Lohnnebenkosten Veränderungen in den Fokus rücken. Auch sei es erstrebenswert die Löhne von kommunalbeschäftigten Hilfsarbeitskräften an den Mindestlohn anzupassen. Konkrete Vorschläge werden daher in den nächsten Tagen folgen.
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