Thursday, 03.09.2020

Europäische Digitalpolitik - Großer Wurf oder Luftnummer?

Wie der ‘Digital Services Act’ die Demokratie fördern kann. Ein FES-Briefing für Nachhaltigkeit des Qualitätsjournalismus.

Dem Mediensektor ging es schon schlecht, als die Coronapandemie kam. Jetzt brechen Werbeumsätze noch weiter weg und es geht an die Substanz einzelner Unternehmen, aber auch des Journalismus als Korrektiv einer Demokratie insgesamt. Zentral- und südosteuropäische Länder sind da schon weiter, und das ist keine gute Nachricht.

Bereits die Wirtschaft- und Finanzkrise nach 2008 beschleunigte den Niedergang. Ausländische Investoren zogen sich weiter zurück, zugunsten lokaler Oligarchen, die heute die Medienlandschaft dominieren. Freiheit und Vielfalt der Presse sind beschädigt, öffentlich-rechtliche Sender werden zu staatlichen Propagandawerkzeugen, politische Zeitungen und online-Portale dienen den Interessen lokaler Autokraten. Die wenigen verbliebenen investigativen und unabhängigen Medien stehen unter politischem und wirtschaftlichem Existenzdruck - so wie es neun aktuelle Länderberichte aus der Region, die im Auftrag des Budapester FES Büros von der osteuropäischen Presseagentur n-ost erstellt wurde, drastisch dokumentieren.

Der Autor des neuen FES-Briefings, Olaf Steenfadt fordert zum Handeln auf und schlägt vor, die europäische Digitalpolitik daraufhin auszurichten. Mit dem jetzt anstehenden Gesetzespaket zur Plattformregulierung (Digital Services Act) öffne sich ein Fenster der Möglichkeiten. Demnach sollten Suchmaschinen und soziale Medien nicht nur Hass und gefährliche Inhalte löschen, sondern gleichzeitig auch dazu verpflichtet werden, vertrauenswürdigen Journalismus zu fördern. Für diese positive Diskriminierung gäbe es schon Beispiele aus der analogen Vergangenheit, nämlich ‘must-carry’ Regeln für Rundfunk oder Quoten für europäische Produktionen, so Steenfadt. Diese gelte es jetzt auf die digitale Welt hin zu einer ‘must-find’ Logik zu übertragen. Gleichzeitig sei es dazu notwendig, ein freiwilliges und selbstregulatives System von Standards für Medien zu entwickeln, das unabhängig auditierbar und maschinenlesbar ist. Nur so könnten auch Werbekunden sichere Umfelder finden und buchen, ihre Markenreputation besser schützen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit von Journalismus fördern, der diesen Namen verdient. Eine solche Lösung auf der digitalen Distributionsebene wäre auch dem schädlichen Einfluss lokaler Akteure weitgehend entzogen.

Olaf Steenfadt, der als Programmdirektor für Reporter ohne Grenzen arbeitet, sieht die EU hier gefordert. Das eindeutige und grenzüberschreitende Marktversagen würde eine regulatorische Intervention nötig machen. Die Kommission habe die dafür notwendigen Kompetenzen und der Digital Services Act sei eine einmalige Chance, die nicht verpasst werden dürfe.

Download FES Briefing „Sustaining journalism during Covid-19”, geschrieben von Olaf Steenfadt hier.

 

Download FES-Analyse „A Lockdown for Independent Media?” (in Zusammenarbeit mit n-ost): hier.

 

 

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